Vor kurzem hieß Jason noch Jasmin. Nach wenigen Besuchen bei einem Transgender spezialisiertem Psychologen, bekommt Jasmin ihre Bestätigung. Sie darf sich offiziell umbenennen lassen. Ein toller Tag für ihn. Jason. Endlich darf er sein, wer er schon immer war. Zumindest befindet er sich auf dem besten Weg, seinem Traum, vom Leben im richtigen Körper, immer näher zu Kommen. Transgender haben auch heute noch oft ihre ganze Kindheit und Jugend Angst davor, sich zu outen. Nicht nur weil die Gesellschaft noch immer nicht auf dem Stand ist, auf dem sie in Sachen Trangsgender längst sein müsste. Oft ist es bei Betroffenen der Fall, das die Familie nicht hinter ihnen steht, oder sich Freunde plötzlich abwenden. Viele Transgender sind zudem bereits als Kind Opfer von Mobbing. Ich habe Jason durch Zufall kennengelernt und ihn direkt nach einem Interview zum Thema Transgender und wie es ihm damit ergeht und erging, gefragt.
„Wann hast du bemerkt, dass du im falschen Körper steckst und wie hat es sich für dich bemerkbar gemacht?“
„Ich habe im Alter zwischen acht und zehn Jahren festgestellt, dass mit mir etwas nicht stimmt. Das hat sich gezeigt, in dem ich Mädchenklamotten bzw. Mädchenfarben verabscheut habe und ich eher mit Jungs gespielt habe, wie zum Beispiel Fußball.
Ich habe mich nie als Mädchen gesehen. Ich meine, früher als Kind habe ich mich nie getraut was zu sagen. Wer glaubt denn schon einem Kind, wenn es sagt „Ich will ein Junge sein“? Niemand. Und so war es auch bei mir. Ich hatte Angst, dazu zu stehen und habe mich unterdrücken lassen.
Es artete oft aus. Z.B wollte meine Oma, dass ich ein Kleid anziehe. Daraufhin habe ich einen Wutanfall bekommen und das Kleid durch die Gegend geschmissen. Für mich war es damals merkwürdig mich so zu fühlen, aber es war nie nur eine Phase. Für mich war schon damals klar, dass ich diesen Schritt gehen möchte, auch wenn er Kräfte raubend ist. “
„Wann hast du andere in den Gedanken, ein Junge sein zu wollen/zu sein involviert?“
„Ich war immer der Einzelgänger. Ich hatte als Kind nie Freunde und wurde oft gemobbt. Am Anfang habe ich niemandem was davon erzählt. Ich wusste einfach, dass es viele Leute gibt, die mich dafür verabscheuen, oder auch hassen, dass es Leute geben wird die sich von mir abwenden, egal ob Familienmitglieder oder Freunde. Und davor hatte ich Jahre lang Angst.
Das erste Mal habe ich in meiner Ausbildung, die ich 2014 angefangen habe, darüber geredet. Aber das eigentliche Outing bei meinem Freundeskreis war 2016 und in meinem Familienkreis war das Outing so gar erst vor 7 Monaten.“
„Hatte das Mobbing seinen Ursprung in deinem „anders verhalten“?
„Ja, auf jeden Fall. Ich wurde gemobbt, weil ich vom Aussehen her immer anders aussah als andere. Ich habe mit 12/13 Jahren schon angefangen mich wie ein Junge zu kleiden. Auch weil ich eben eine Menge Narben an mir habe, durch Operationen, wurde ich oft fertig gemacht.
„Haben deine Eltern denn nicht bemerkt das du Transgender bist?“
„Natürlich haben sie etwas gemerkt, aber ich habe meine Eltern in dem Glauben gelassen, dass ich Lesbisch bin bzw. eine sehr maskuline Lesbe bin. Ich habe mich außerdem erst so spät als Transgender geoutet, weil ich mich nicht eher getraut habe.
„Gab es denn, wie du vor deinem Outing befürchtet hast, tatsächlich Menschen, die sich von dir abgewendet haben?“
„Ja es ist ganz genau so gekommen. Das Schlimmste war aber, als ich mich bei meiner Oma geoutet habe. Da fing der Horror erst richtig an. Als ich mich zuvor als Lesbe geoutet hatte und das erste Mädchen mit nach Hause gebracht habe, fiel es meinem Vater anfangs schwer, es zu akzeptieren, aber mittlerweile kommen beide Elternteile einwandfrei damit klar.
Meine Oma war allerdings schon immer der Typ Mensch, der sich in mein Leben und das Leben meiner Eltern zu oft rein gehängt hat. Sie wusste immer alles besser. Als ich ihr gesagt habe, dass ich vor habe ein Mann zu werden, fing sie an auf Transgender herum zu hacken und sagte: „Ist das dein Ernst? Transgender sind schlechte Menschen und Monster.“ Seitdem wurde es noch schlimmer, sogar so sehr, dass sie es mir ausreden wollte. Sie wurde sogar handgreiflich.“
„Wie sehen deine Pläne im Bezug auf einen Umwandlung aus?“
„Ich habe mich 2016 dazu entschieden die Umwandlung zu machen. Dafür musste ich mir als erstes einen transerfahrenen Psychologen suchen. Denn ohne die psychologische Behandlung kann man den Weg gar nicht gehen. Man brauch sozusagen bis nach den Operationen psychologische Begleitung.
Bis ich einen Psychologen gefunden hatte, vergingen 2 Monate.
Da es im Internet extra Seiten für Transsexuelle gibt, wo man Operateure, Psychologen und Ärzte findet, war es nicht schwer, relativ schnell einen Termin zu bekommen. Meinen ersten Termin hatte ich im Juni 2017. Der Termin lief so ab, dass mein Psychologe mich gefragt hat, warum ich diesen Weg gehen will. Also die allgemeinen Dinge. Aufbauend auf dem Termin schrieb ich einen Translebenslauf, der als Grundlage für die weitere Behandlung dient.
Meinen zweiten Termin hatte ich im August, Bei dem wurde mir mein Indikationsgutachten ausgestellt. Dieses dient zum einen für die Hormontherapie und die Operationen und zum anderen für den rechtlichen Weg, also die Namensänderung. Meinen letzten Termin hatte ich am 4.12. Dort habe ich mein psychologisches Gutachten für die Namensänderung bekommen. Die Gespräche dauern immer nur ein paar Minuten.
„Strebst du eine vollständige Umwandlung an, oder ist dir das bisher noch ein Schritt zu viel?“
„Ich kann die Operationen erst durchführen, wenn ich 18 Monate in psychologischer Behandlung bin. Also ich möchte in Sachen Operationen die Mastektomie (Brustabnahme) und die Entnahme der Gebärmutter, der Eileiter bzw. der gesamten weiblichen Organe. Die Penisaufbauoperation werde ich nicht durchführen lassen.“
„Warum möchtest du den Penisaufbau nicht durchführen lassen?“
„Das liegt daran, dass ich vor sechs Jahren vergewaltigt wurde und seitdem eine Phobie habe. Ich habe immer nur Beziehungen mit Frauen geführt.“
„Gehst du, wenn du eine potenzielle Partnerin kennenlernst, direkt ehrlich mit den „Umständen“, in denen du dich derzeit noch befindest, um?“
„Ehrlichkeit steht für mich an erster Stelle. Freundschaften oder Beziehungen knüpfe ich anfangs immer über das Internet. Da es mir schwer fällt auf andere Menschen zu zu gehen. Da ich Angst habe verletzt zu werden, wenn ich mich mit jemanden zum ersten Mal treffe, bin ich sehr verklemmt und rede kaum. Aber das legt sich, sobald ich weiß, dass ich sicher bin.“
„Hat die Vergewaltigen noch Einfluss auf dich und dein Beziehungsleben, egal ob nun mit Freunden, der Partnerin oder gar Fremden?“
„Die Vergewaltigung beeinflusst mich heute immer noch sehr. Es geht sogar soweit, dass ich dadurch körperlich und gesundheitlich sehr eingeschränkt bin.
Seit der Vergewaltigung habe ich eine Sozialphobie entwickelt. Das heißt ich gerate sehr schnell in Panik, wenn ich unter vielen Menschen bin, egal ob es draußen oder in öffentlichen Verkehrsmitteln ist. Eine weitere Einschränkung ist, dass es mir schwer fällt Körperkontakt zu zu lassen.
Aber die schlimmste Einschränkung ist, dass ich seit der Vergewaltigung an Krampfanfällen leide. Wenn ich Leuten vertrauen kann, rücke ich eigentlich gleich mit meiner Vergangenheit und meinem Trauma raus. Ich bin momentan in einer Beziehung, aber es ist noch sehr frisch. “
„Wie gehen die Frauen, die du datest, für gewöhnlich mit deiner Situation um?“
„Die meisten Damen, die Freunde für mich sind, sind damit sehr gut klar gekommen. In Sachen Beziehung, wenn ich Frauen kennengelernt habe, fiel es den Damen erst schwer es zu akzeptieren. Das ist auch der Grund, warum die meisten meiner Beziehungen in die Hose gingen, auch wenn es bis jetzt nur zwei Beziehungen waren. Wenn ich einer Frau aber genug vertrauen kann, ist Sex auf alle Fälle möglich.
Leider habe ich wohl noch nicht so das Händchen für die Richtige, oder einfach nur eine Vernünftige. Meine erste Freundin hatte ich 2016. Anfangs verlief alles gut. Bis sie dann ihr wahres Gesicht zeigte. Sie hat sich 6 Wochen bei mir durchgefressen, ohne einen Finger in Haushalt krumm zu machen. Es ging sogar soweit, dass sie mir gegenüber mehrmals handgreiflich geworden ist. Meine zweite Beziehung hatte ich Anfang 2017 Jahres. Die Frau ist zwar nicht handgreiflich geworden, aber dafür hat sie mich an meinem Geburtstag betrogen.“
„Spielten die Umwandlung oder die Vergewaltigung dabei auch ein Thema?“
„Es hatte nichts mit meiner Umwandlung zu tun. Sie kamen halt nicht damit klar, dass ich in sexueller Hinsicht nicht so wirklich viel Erfahrung hatte. So war es zumindest bei der Ex von mir, die mich betrogen hat. Bei der Ex, die mich geschlagen hat, weiß ich bis heute nicht, was der Auslöser war.“
„Hast du denn durch deine Familie und deine Freunde irgendwann Hilfe erfahren?“
„Ja, eine so genannte Freundin. Sie hat sich drei Jahre wie eine Hobbypsychologin bei mir ausgetobt. Das endete damit, dass sie mir die Schuld an der Vergewaltigung gab. Sie hat zu mir gesagt bzw. mir gegen den Kopf geworfen: „Du hättest dich doch wehren können“. Unterstützt wurde ich von meinen Eltern auch nie. Unser Verhältnis ist nicht so gut.
Da kann ich nicht auf ihr Dasein hoffen. Bei jedem bisherigen Arzttermin musste ich alleine los. Warum wir uns so oft streiten weiß ich leider nicht. Aber es nimmt mir meine Kraft in dieser Situation.“
„Was hat es in dir ausgelöst, nicht du selbst seien zu können, Transgender zu sein, bevor du dich geoutet hast?“
„Es hat mich innerlich zerstört. Es ging so gar soweit, dass ich mit dem Gedanken gespielt habe, mir das Leben zu nehmen. Fast hätte es auch geklappt. Ich hatte Glück, dass der Selbstmordversuch schief ging. Ich lag am Ende bloß mit einer Alkoholvergiftung im Krankenhaus. Zum Glück habe ich kurz vor meinem Zusammenbruch meinen Vater angerufen, der hat mich dann bewusstlos gefunden.
Das alles hat natürlich starke Depressionen bei mir ausgelöst. Wenn man sich im falschen Körper fühlt, egal wie alt man ist, sollte man das auf alle Fälle ernst nehmen. Man sollte sich von Niemandem diesen Traum ausreden lassen. Wenn man das Ziel erreicht hat, kann man sein Leben endlich in vollen Zügen genießen. Denn nur so ist man am Leben!“
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