Schon vom weitem ist er mir aufgefallen. Ein Mann der im Neoprenanzug durch das Meer streift, als gäbe es dort den langersehnten Lottogewinn zu finden.
Anbei: Ein Metalldetektor.
Ich schaue mir das ganze eine Zeit lang an, die Neugierde ist einfach zu groß um nicht rüber zu gehen. Ich springe von meinem Handtuch auf und laufe zu ihm.
„Hey“, rufe ich ihm entgegen und lächle ihn breit an während ich auf ihn zu gehe.
„Hallo“, antwortet er knapp und wendet sich wieder seiner Suche zu.
„Kann ich ein Foto von dir machen?“, frage ich ihn mit dem liebsten Grinsen, das ich besitze. Er dreht sich etwas genervt zu mir.
„Klar“, meint er.
„Nach was genau suchst du hier“, will ich von ihm wissen, nachdem ich das Bild gemacht habe und merke, dass er plötzlich nicht mehr so genervt wirkt.
„Ich suche nach allem Möglichen, was mir Geld bringen könnte, wenn ich es wieder verkaufe.“
Er steckt sich eine Zigarette an.
„Willst du auch?“
„Grade nicht“, winke ich ab und frage ihn unbeirrt weiter aus.
„Was war denn das Wertvollste, was du je gefunden und verkauft hast?“
Er grinst breit.
„Ein 2,5 Karat Diamantring. Ich würde auch gerne behaupten, das wäre etwas Besonderes gewesen, aber hier in Miami Beach ist das kein so seltener Fund. Viele reiche Menschen laufen Tag ein Tag aus am Strand entlang, oder legen mit einem der riesigen Kreuzfahrtschiffe ab. Ich weiß zwar nicht wie sie es schaffen, nicht zu bemerken, dass ihnen ihr Ring vom Finger rutscht, aber ich bin sehr froh darüber.“
„Was hast du an dem Ring verdient, wenn man fragen darf?“
„70.000 Dollar genau. Ich hätte sicher mehr bekommen können, wenn ich Ahnung hätte, habe ich aber nicht. War auf jeden Fall das wertvollste, was ich hier gefunden habe.“
Die ganze Zeit während er abwechselnd redet und an seiner Zigarette zieht lächelt er mich überfreundlich an.
„Finanzierst du dir so deinen Lebensunterhalt – du gehst täglich raus an den Strand und versucht dein Glück unter der Wasseroberfläche zu finden?“
„Um Gottes Willen, nein“, antwortet er rasch und mit Nachdruck. „Das könnte ich nicht. Es ist eher wie ein Hobby, das mir genug Geld bringt um mitten in Miami Beach zu wohnen und auch so einen nicht ganz so günstigen Lebensstil zu führen. Von meinem eigentlichen Job, den, für den ich täglich aufstehe, könnte ich das nicht. Dafür macht der mir aber Spaß. Das Suchen im Wasser nicht. Aber es ist eben lukrativer. Wenn die Zeit eh über ist und ich mich überwinden kann, mache ich es eben.“
„Was findest du denn am häufigsten?“
„Das ist sehr unterschiedlich, über Ringe, die ich tatsächlich am meisten finde, allerdings dann eher normale Silber- oder Goldringe, über Goldzähne, Ohrringe, Sonnenbrillen, Kameras, bis hin zu unnützem Müll.“
„Und das sind alles Dinge, die du verkaufen kannst?“
„Kommt auf die Menge an und auf die Marken. Wenn ich ne Gucci Sonnenbrille finde ist das toll. Aber meistens sind es natürlich irgendwelche Billigen. Die kann ich nicht gebrauchen.“
„Schmeißt du das, was du nicht brauchen kannst, zurück ins Meer ?“
„Nein, aber das hat nichts damit zu tun, dass ich mich um die Umwelt kümmern möchte oder so. Ich weiß einfach nur, wenn ich es zurück werfe, dann kommt es wahrscheinlich wieder vor meinen Detektor, er piept wieder und ich bücke mich wieder. Unnütz. Also packe ich alles in einen Sack, den ich ab und zu leere. Schrott und Wertvolles packe ich da zusammen. Aussortiert wird später.“
„Hast du heute denn schon eine gute Ausbeute gemacht?“, frage ich neugierig und hoffe, dass er mir ein paar Sachen aus seinem Fundbeutel zeigt.
„Heute war kein so guter Tag“, murmelt er und wühlt in seinem Beutel. Er zieht einige Silberringe und Goldzähne raus, außerdem zwei Sonnenbrillen.
„Hier verlieren aber viele ihre Zähne“, stelle ich erstaunt fest. Er lacht nur.
„Und das ist keine gute Ausbeute für dich? Ich hab mich gestern tierisch drüber gefreut, dass ich ein paar Muscheln gefunden habe, die nicht aussahen wie jede andere“, gebe ich, noch immer stolz auf die hübschen Muscheln, zur Kenntnis.
„Wert interpretiert eben Jeder anders. Hierfür bekomme ich nicht mehr als 100 Dollar. Das ist ein netter Betrag, klar, aber Keiner der rechtfertigt, dass ich schon den ganzen Tag hier so einer verdammt nervigen Arbeit nachgehe.
Im Schnitt kann ich mit 300 Dollar rechnen, außer ich finde eben mal was größeres wie den Diamantring.
Danach habe ich aber auch ewig nicht mehr gesucht. Da ruht man sich dann schon drauf aus.“
„Dann wünsche ich dir noch viel Glück heute, auf dass du den nächsten Diamantring findest.“
„Heute nicht mehr“, sagt er, „der Wellengang ist eh viel zu stark.“
„Danke für deine Zeit“, füge ich noch hinzu, dann reiche ich ihm die Hand.
Zurück auf meinem Handtuch beobachte ich sein Treiben noch. Kurz nach unserem Gespräch kommt er aus dem Wasser. Seine Suche ist vorbei.