Bei der narzisstischen Persönlichkeitsstörung (NPS) denken wir schnell an einen Mann. Ein Mann der seine Frau schlecht behandelt, ihr fremdgeht, sie von Freunden isoliert und sie emotional völlig abhängig macht. Ein Mann, der sich aus niemandem, außer sich selber, wirklich etwas macht. Über Frauen wird in diesem Zusammenhang eigentlich nur als das Opfer solcher toxischen Beziehungen gesprochen.
Die Realität sieht jedoch anders aus. Die NPS kommt auch bei Frauen häufig vor, äußert sich aber anders, wodurch sie vom Umfeld oft noch seltener als solche erkannt wird als bei Männern. So gestaltet es sich auch bei Andrea* 35. Weder in ihrer Ehe, die sie 2006 beendete, noch in den folgenden Beziehungen erkannte man sie als Narzisstin. Bis sie sich vor einem Jahr von dem Mann ihrer ältesten 2 von 4 Kindern trennte.
„Wie kam es, dass du auf deine NPS aufmerksam wurdest? Grade bei dieser Persönlichkeitsstörung ist die Krankheitseinsicht ja sehr niedrig.“
„Bis vor einem Jahr habe ich die Schuld ständig bei den Anderen gesehen. Ich habe mich vor einem Jahr von dem Vater meiner jüngsten zwei Kinder getrennt. Damals warf er mir einiges an den Kopf. Er spielte den Ball so zurück wie ich ihn ihm zugeworfen hatte. Daraufhin habe ich mich im Internet schlau gemacht. Das erste Mal traf ich hier auf die NPS und ging zum Psychologen.
Seitdem versuche ich an mir zu arbeiten. Am deutlichsten zeigt sich die NPS bei mir durch die Unfähigkeit mir Fehler einzugestehen. Ich drehe jede Situation so hin, dass jemand anderes schuld ist. Niemals ich selbst.
Auch Verhalten das ich selbst an mir schätze, wie Direktheit, finde ich bei anderen nicht in Ordnung. Dazu kommt bei mir eine Sucht nach Aufmerksamkeit und Bestätigung. Aufmerksamkeit schenken kann ich hingegen aber nur sehr bedingt.“
„Wie kann ich mir dich in der Beziehung zu deinem Ex-Mann oder zu deinen Kindern vorstellen?“
„Mein Ex hat mittlerweile eine neue Beziehung und wir verstehen uns noch gut. Ich bin für meinen Mann jedoch immer noch anziehend. Hier kommt wohl das zum Vorschein was vielen Opfern narzisstischer Beziehungen passiert. Sie entwickeln dem Narzissten gegenüber eine gewisse Abhängigkeit.
In unserer Beziehung war es anfangs harmonisch. In jeder meiner Beziehungen war das am Anfang so. Mit der Zeit wurde mir jeder von ihnen zu langweilig und egal. Ihre Bedürfnisse waren mir nicht wichtig. Ich habe mein Leben gelebt und meinen Partner nicht mit einbezogen.
Wenn er es zur Sprache bringen wollte hab ich es so gedreht, dass er daran Schuld ist, dass ich mich entferne. Ich habe immer verlangt aber nicht gegeben. Untreue meinerseits kam auch in jeder meiner Beziehungen vor. Hätte er jedoch auch nur eine andere Frau angesehen wäre die Hölle ausgebrochen. Was die Männer abhängig machte, oder auch die Frauen abhängig macht, die mit Narzissten zusammen sind, ist die Hoffnung darauf, dass die Beziehung wieder so wird wie am Anfang.
Was meine Kinder angeht sehe ich mein Verhältnis zu ihnen natürlich einwandfrei an. Ich kann ihnen sagen, dass ich sie liebe. Bei einem Partner habe ich da gar kein Bedürfnis zu.“
„Hast du dich selbst denn auch in diesen Beziehungen bewusst als manipulativ wahrgenommen?
„Nein, ich drehe die Situation nicht immer absichtlich so, dass mein Gegenüber Schuld trägt. Ich empfinde es ja auch so. Manchmal wird es mir im Nachhinein bewusst, aber zugeben würde ich es dann nicht. “
„Was denkst du, warum du immer wieder fremd gegangen bist. Wenn dich die Männer gelangweilt haben, wäre es doch sicherlich einfacher gewesen als Single zu leben, oder?“
„Ich habe einfach auch Angst alleine zu sein. Trennungen sind für mich etwas sehr Schweres, selbst wenn ich diejenige bin die sich trennt. Auch für mich ist es schwer von einem Menschen los zu kommen, auch wenn das nichts damit zu tun hat was ich für den anderen empfinde. Außerdem haben mir Beziehungen immer Vorteile gebracht, z.B finanziell.
Das Fremdgehen ist natürlich um Bestätigung zu bekommen. Im Grunde bin ich ein Mensch mit wenig Selbstvertrauen was mein Äußeres betrifft. Affären oder Flirts lindern kurze Zeit diese Unsicherheit.“
„Was sind die Unterschiede von weiblichem und männlichem Narzissmus?“
„Ich glaube, dass die Frauen, die von einer NPS betroffen sind es sehr viel besser verheimlichen können. Oft sind wir bessere Schauspieler und schaffen es länger als die Männer unsere Maske nicht abzulegen.
Der weibliche Narzisst bietet ein ständiges auf und ab der Emotionen. Ein Extrem jagt das Nächste. Extremes Selbstbewusstsein gegen Minderwertigkeit und Komplexe. Wobei das auch bei Männern nicht anders ist. Es ist ein Glücksspiel in welches Gesicht man blickt, die Stimmung kann sehr schnell umschlagen. Grundsätzlich haben wir aber ein sehr gutes Gespür dafür, wie jemand über uns denkt. Meines hat mich selten getäuscht.
Männliche Narzissten geben außerdem sehr offen an, mit dem was sie haben, was sie können, was sie verdienen. Sie holen sich so ihre Anerkennung. Ich bin auch selbst schon auf männliche Narzissten gestoßen, die Spielchen spielen. Wenn sie dann etwas nicht bekommen, werden sie ausfallend, beleidigen, drohen. Das tue ich z. B auch nicht.“
„Was denkst du, wie deine NPS entstanden ist. Welche Auslöser gab es in deinem Leben?“
„Der Auslöser liegt definitiv in meiner Kindheit und an meiner Mutter. Darauf möchte ich zum jetzigen Zeitpunkt aber nicht eingehen, da ich das selber erst aufarbeiten muss.,“
„Was denkst du, warum dir die Männer schnell zu langweilig werden? Hängt auch das mit der NPS zusammen?“
„Langweilig werden sie deshalb, weil der Reiz der Eroberung weg ist. Man hat den Menschen quasi schon in seinem Netz, also bedarf es keiner Mühe mehr. Klingt vielleicht hart aber so ist es nun Mal für mich. Ich war mir dann immer sicher , dass sie mich ohnehin nicht verlassen werden. Meistens lag ich damit richtig.“
„Oft hört man, dass Narzissten ihr Gegenüber mit Streit oder Schweigen strafen, wenn sie nicht ihren Willen bekommen, wie ist das bei dir?“
„Oh ja, bei mir ist es vor allem das Silent Treatment (stille Behandlung). Ich denke auch, dass Frauen mit NPS das Schweigen noch viel öfter als Strafe nutzen als die männlichen Narzissten. Die werden meist eher beleidigend oder gar aggressiv.
Wenn ich mir also Beispielsweise etwas vom Partner wünsche oder erwarte und er tut nicht was ich verlange, dann muss ich zugeben, dass es stimmt. Entweder kommt es zum Streit, um ihn dazu zu bringen das zu tun was ich will, oder er wird ignoriert, bis er sich entschuldigt. Selbst wenn es Tage dauert, ich bleibe eisern.“
„Wie sieht es mit deinen Kindern aus, willst du auch von ihnen deine Bedürfnisse gestillt haben?“
„Nein, meine Kinder müssen nicht für meine Bedürfnisse her halten. Tatsächlich bin ich bin manchmal kalt zu ihnen, aber das erinnert mich dann an meine Mutter und so will ich nicht mit meinen Kindern umgehen.“
„Also bist du für deine Kinder da und verspürst ihnen gegenüber keinen Egoismus?“
„Doch doch, ich verspüre Egoismus. Aber ich lass ihn bei den Kindern nicht zu.“
„Eckst du im Privatleben oft an?“
„Ja, das war schon immer so.“
„Warst du in solchen Situationen dann auch immer der Meinung die anderen sind Schuld?“
„Ja in den jeweiligen Situationen schon. Heute kann ich ja sagen, dass ich das Problem war.“
„Du hast erwähnt, dass du besonders viel Aufmerksamkeit brauchst, wie beschaffst du dir diese?“
„Aufmerksamkeit von Männern zu bekommen geht ja einfach. Da reichen oft schon soziale Plattformen. Ich versuch mich aber auch durch Drama in den Mittelpunkt zu stellen. Lügen und Geschichten erfinden war früher auch ein Thema. Aber Lügen kommen immer ans Licht, also hab ich mir das abgewöhnt.“
„Wie sorgst du für ein Drama?“
„Ich sorge für Dramen im Sinne davon, dass ich andere in sozialen Netzwerken blockieren als „Zeichen“. Dann warte ich ab, entlocke und im Normalfall lenkt das Gegenüber ein. Ich denke das Fremdgehen sorgt auch oft genug für Dramen. Besonders der Versuche es abzustreiten.
„Übertriebst du Geschehnisse in deinen Erzählungen, um mehr Aufmerksamkeit zu bekommen?“
„Das ist schwer zu beantworten. Ich erzähle die Dinge so wie ich sie empfinde. Das wird natürlich anders sein als mein Gegenüber es sieht. Aber es gab auf jeden Fall auch Situationen, die ich mehr hoch gespielt habe, ja.“
„Trägst du ganz bewusst eine Maske, wenn du jemanden kennenlernst?“
„Nein bewusst nicht. Das nennt sich grade am Anfang bei Menschen mit einer NPS Love Bombing. Ich kann einem Menschen am Anfang all die Dinge geben, die er braucht. Zuwendung, „Liebe“, kann ihm zuhören und für ihn da sein. Ich denke auch immer, dass ist es, jetzt bist du da wo du hin gehörst. Ich belüge nicht nur die Männer sondern auch mich selbst.. Oder rede es mir ein.“
„Wie gut konntest du die Diagnose NPS für dich annehmen?“
„Ich war eigentlich darüber erschrocken, dass ich mich in so vielen Beschreibungen erkannt habe. Ich brauchte einige Zeit, bevor ich es wahr haben wollte. Der Schritt zum Psychologen zu gehen kostete mich viel Überwindung. Aber ich bereue es nicht.“
„Gibt es bestimmte Anzeichen, um einen Narzissten schon früh in der Beziehung zu entlarven?“
„Puh… Das ist am Anfang echt schwer, da wir ja sehr gute Schauspieler sind. Wir stellen uns anders dar als wir sind. Es kann in stressigen Situationen aber schon sein, dass der Narzisst daraufhin „vergisst“ seine Maske zu tragen.“
Foto: https://www.motosha.com/blog/
Das könnte sie auch interessieren: https://blickwinkelmensch.de/borderline-stoerung-ein-leben-zwischen-schwarz-und-weiss/
Ich lese deine Interviews seit kurzer Zeit und möchte dir sagen, dass ich sie ziemlich gut und interessant finde. Dein Blog verdient definitiv viel mehr Aufmerksamkeit!
Ich habe das genau so bei meiner Ex erlebt. Sie kann heute immernoch nicht los lassen und treibt ihre Spiele. Es ist nach über zwei jahren immernoch ein Kampf.