Wie genau sich eine Psychose entwickelt und was währenddessen in der Person die die Psychose erleidet passiert, können die wenigsten von uns nachvollziehen. Um einen kleinen Einblick zu verschaffen erzählt Larissa* mir von ihrer Erkrankung.
Larissa ist 19 Jahre alt und wohnt noch bei ihren Eltern. Sie hat einen Ausbildung zur Altenpflegerin begonnen. So klingt wohl die Beschreibung der meisten Mädchen in ihrem Alter. Larissas Leben ist allerdings anders, als das der meisten Mädchen. Bei ihr wurden das Borderline-Syndrom, schwere Depressionen, eine posttraumatische Belastungsstörung und die Bipolare- Störung diagnostiziert.
„Im Zusammenhang mit welcher der eben genannten Diagnosen leidest du unter Psychosen?“
„Das passiert im Rahmen meiner Bipolaren-Störung. In den Phasen der Manie ist es nicht untypisch auch eine Psychose zu entwickeln. Ich vermute eine Teilschuld trägt auch meine PTBS (posttraumatische Belastungsstörung).“
„Wann hast du zum ersten Mal eine Psychose gehabt und wie hat sie sich bemerkbar gemacht?“
„Die erste Psychose hatte ich als meine Oma gestorben ist. Da habe ich z.B ein Streicheln auf meiner Haut gemerkt und Stimmen gehört die mir zuriefen, dass alles gut werden würde. Ich fühlte Kälte und den Duft meiner Oma und hatte die ganze Zeit ihren Duft in der Nase.
Jetzt bei der Psychose habe ich Verfolgungswahn, höre Clowns flüstern, spüre Berührungen und ich denke, ich werde per Video überwacht und aufgenommen. Ich bin überzeugt niemandem zu 100% vertrauen zu können.“
„Also befindest du dich jetzt gerade auch noch in einer Psychose? Wie hat sie sich angebahnt und was war dieses Mal der Auslöser?“
„Ja genau, derzeit befinde ich mich noch mitten drin und bin zurzeit auf einer geschlossenen, psychiatrischen Station.
Der Auslöser für die jetzige Psychose war definitiv zu viel Stress. Angebahnt hat sich sie sich erst dadurch, dass ich Geräusche wahr nahm und Berührungen spürte. Kurze Zeit später kam das Optische und die Stimmen dazu.“
„Also ist das die zweite Psychose in der du bisher steckst?“.
„Nein, es ist bereits die Dritte.“
„Wie sieht derzeit deine Therapie aus und wie wurde nach deiner Einweisung verfahren?“
„Ich wurde allen möglichen Reizen entzogen, durfte nicht raus und hatte vorerst keine Therapien, da ich Ruhe brauchte. Dann kamen die Medikamente, die die Symptome der Psychose verbessern oder gar aufheben. Mit der Zeit wurde ich langsam in den Stationsalltag mit aufgenommen. Endlich durfte ich wieder 3×30 Minuten raus.Wenn auch nur in Begleitung. Irgendwann folgten die Gespräche mit einem Psychologen. Man gab mir weitere Medikamente, dann bekam ich verschiedene Therapien. Und nun muss/soll ich langsam selber eigenständig was machen.“
„Gibt es in deiner Familie noch andere Mitglieder, die an einer ähnlichen Erkrankung leiden?“
„Ja, Depressionen und die Angststörung sind auch in meiner Familie vertreten.“
„Wie geht deine Familie mit deinen Erkrankung um?“
„Mein Vater kommt nicht wirklich gut damit klar. Er versucht es zu verstehen, aber er ist nicht betroffen und deshalb fällt es ihm schwer. Meine Mutter hingegen, die selber unter schweren Depressionen leidet, versteht mich jetzt sehr gut. Sie ist wie eine Beste Freundin für mich. Mein Bruder versteht es mittlerweile auch.“
„Wie fühlt es sich für dich an, eine Psychose zu haben?“
„Es ist alles surreal. Ich sehe mich als Nichts. Als Außenstehender. Ich vertraue den Ärzten nicht und nehme nur dann die verordneten Medikamente, wenn ich eine Unterschrift bekommen habe, dass es keine Tabletten sind, die mich töten. Ich ziehe mich zurück, meide Menschen und Menschenmassen.“
„Was lösen die Medikamente die du bekommst in dir aus?“
„Sie mildern die Dinge, die ich fühle, höre und sehe. Außerdem sedieren sie mich und nehmen mir die Anspannung. Es ist nach einer gewissen Zeit wie eine Erlösung für mich.“
„Hattest du auch vor der jetzigen Einweisung Medikamente, die du regelmäßig genommen hast?“
„Ja, aber das waren nur Beruhigungspillen. Atosil hieß das .Die habe ich gegessen wie Tick Tacks. Erst jetzt, bei meiner dritten Psychose wurde ich richtig eingestellt.“
„Also gab man dir wegen der zwei zuvor aufgetretenen Psychosen keine Medikamente, die die Psychose hätten verhindern können?“
„Nein da diese nie wirklich ernst genommen worden sind. Die Ärzte dachten ich spiele es nur.“
„Wie schaffen es andere dich davon zu überzeugen, dass das was du fühlst und hörst nicht der Wahrheit entspricht? Für dich wir es sich ja während der Psychose wie die Realität anfühlen, oder nicht?“
„Es ist unheimlich schwer, mich ins Hier und Jetzt zu holen. Meine Familie erklärt mir dann immer wieder was gerade wirklich real ist. Auch ich selber vergewissere mich immer wieder und frage nach. Trotzdem ist es dann nicht einfach, die Realität zu erfassen, da ich in meiner eigenen Welt gefangen bin.“
„Wie reagierst du, wenn andere dir versuchen klar zu machen was sich wirklich um dich herum abspielt?“
„Ich werde laut und aggressiv, schreie und beleidige sie und werfe mit Genständen um mich.“
„Trotz so heftiger Reaktionen dachte man, dass du die Psychose nur spielst?“
„Mir ist auch nicht klar warum einige Ärzte sich so schnell darauf versteift haben, dass ich ihnen etwas vorspiele. Meine Familie stand dafür aber hinter mir und hat mir geglaubt.“
„Oft wird eine Psychose auch durch den Konsum von Rauschmitteln hervorgerufen. Hast du je Drogen genommen, oder ist ausgeschlossen, dass es Drogen-indizierte Psychosen waren?“
„Ja, ich habe auch Drogen genommen. Mitunter Ecstasy, Amphetamine und Cannabis. Ob der Konsum nun Auslöser war wissen die Ärzte nicht genau, aber es wird gesagt, dass Menschen, die schon früh angefangen haben Drogen zu konsumieren, anfälliger dafür sind.
Seit 5 Monaten konsumiere ich allerdings gar nichts mehr. Ecstasy und Amphetamine so gar schon Jahre nicht mehr.“
„Was hat dich dazu gebracht zu Drogen zu greifen?“
„Im Grunde waren es die Depressionen, unter denen ich mit 15 litt. Schweres Mobbing und eine Vergewaltigung haben dazu geführt, dass ich mir nicht mehr anders zu Helfen wusste. Ich trank Alkohol bis zum Blackout und nahm Drogen um den inneren Schmerz zu vergessen.“
„Wurde die Vergewaltigung angezeigt?“
„Nein, wurde sie nicht. Ich war erst 2 Jahre danach in der Lage offen darüber zu reden. Da ich es nicht nach außen getragen habe, konnte auch meine Familie nicht für mich einstehen. Ich Habe es mit mir selber ausgemacht. Damals war das Verhältnis zwischen mir und meiner Mutter auch nicht so gut wie heute. Sie wusste nichts von all dem, was mir passiert war und konnte so auch nicht nachvollziehen warum ich zu Drogen griff, zu viel Alkohol trank, Selbstmord begehen wollte und mich geritzt habe. Wir stritten uns sehr oft und ich wurde ausfallend.“
„Wie habt ihr es geschafft wieder zueinander zu finden?“
„In dem ich das Einzige tat was helfen konnte. Ich ging in Therapie. Irgendwann sprachen wir uns dann aus. Seit dem steht meine Familie völlig hinter mir.“
Dieser Artikel könnte sie auch interessieren: https://blickwinkelmensch.de/borderline-stoerung-ein-leben-zwischen-schwarz-und-weiss/
1 Kommentar