Das Thema Escort und seine Bedeutung sind nur wenigen bisher unbekannt. So haben fast alle eine ungefähre Vorstellung davon, was von einem Menschen der für einen Escort-Service arbeitet verlangt wird. Tatsächlich ist Escort aber nicht gleich Escort. Während es tatsächlich Agenturen gibt, bei denen es sich ausschließlich um einen Begleitdienst handelt, so bucht man in den meisten Agenturen Sex. Schnell kommt uns dabei das Bild einer hübschen, gut gekleideten Frau in den Sinn. Tatsächlich gibt es aber ebenso viele Escort-Agenturen in denen Männer gebucht werden können – für andere Männer.
In einer solchen Agentur hat auch *Alexander (25) gearbeitet. Wie es dazu kam und welche Erlebnisse er in der Branche gesammelt hat, erzählt er mir heute.
„Wie bist du zum ersten Mal mit dem Thema Escort in Kontakt gekommen?“
„Alles begann vor sechs Jahren, als ich nach Köln kam. Ich lebte auf der Straße und hatte keine Schlafmöglichkeit. Das Jugendamt in Köln wollte oder konnte mir nicht weiterhelfen. Zu der Zeit war ich bei Planet Romeo (ein Dating-Portal) angemeldet. Dort bekam ich von einem jungen Mann eine Nachricht, in der er für Traumboys.eu ( Köln-Ehrenfeld ) Werbung machte. Somit begann der Kontakt zu der Escort-Agentur Traum Boys. Damals hatte ich noch keine richtige Vorstellung, was mich da erwartet. Natürlich wusste ich was Escort ist, aber wie es dort abläuft eben nicht.“
„Was genau lockte dich besonders an dem Angebot?“
„Der Mann erklärte mir, dass er und sieben bis acht weitere Jungs in einem Einfamilienhaus leben und nebenan ein extra Haus nur für Kunden sei.
Weiter erzählte er mir, dass ich dort für 50 Euro die Woche wohnen könne und mein Essen inklusive wäre.
Man bekommt ein Profil erstellt, mit detaillierte Infos von sich selber und die Kunden hatten die Möglichkeit dich auf der Seite zu buchen. Der Preis pro Stunde lag bei 120 Euro, wovon ich 50% an den Besitzer der Agentur abgeben musste. Für mich hörte es sich wie die perfekte Lösung meines Problems an. Klar, wenn jemand obdachlos ist und nicht weiß wie er überleben soll oder wie es weiter geht, dann hört sich das verlockend an. Zumindest war es für mich so.“
„Wie bist du denn in die Obdachlosigkeit hinein geraten?“
„Meine Eltern sind Sinti und ihre Kultur verbietet Homosexualität. Ich wurde schon als Kind misshandelt und als ich mich mit 16 Jahren geoutet habe wurde die Lage zuhause unerträglich für mich. Ich habe 2 Jahre lang fast jeden zweiten Tag Schläge bekommen und das nur aufgrund meines Outings. Deshalb habe ich mit 18 beschlossen abzuhauen. Somit kam ich nach Köln und war obdachlos.“
„Hattest du keine Bedenken, als Escort zu arbeiten und dein Geld zu verdienen in dem du mit fremden Männer schläfst?“
„Zuerst hatte ich sehr viele Bedenken, aber was blieb mir übrig? Ich wusste das dies meine einzige Chance war, um Fuß zufassen. Und zu diesem Zeitpunkt wusste ich wie gesagt nicht wie es sich wirklich anfühlt. Ich dachte mir, wenn ich umsonst mit Männer schlafe die mein Typ sind, wieso kann ich das dann nicht auch für Geld? Allerdings stellte sich schnell heraus was für ein Unterschied das ist. Und, dass eben nicht alle mein Typ waren. Mein Erster war sozusagen noch einer der Attraktiveren.“
„Wie war dein erstes Mal als Escort mit einem Kunden?“
„Mein erster Freier war ein Deutscher ca. 35 Jahre alt. Ich kann mich noch sehr genau an das erste Mal erinnern. Das Zimmer war nur mit wenig Licht beleuchtet. Er zog sich aus und berührte meinen Körper. Mir kam es wie eine Ewigkeit vor. Danach habe ich mich auf den Bauch gelegt, so wie es der Gast von mir verlangte. Unsere Gespräche waren kurz und knapp und vor allem sexueller Natur. Als er in mich eindrang drückte ich meinen Kopf ins Kissen und dachte daran, dass alles eines Tages vorbei sein würde und dann keine Rolle mehr spielt. ‚Denk an das Geld‘, ging es mir immer wieder durch den Kopf.
Nach 45 Minuten waren wir fertig. Er ging und ließ mich zurück. Das Gefühl war nicht schön, aber wie alles andere auch war es einfach Gewöhnungssache.“
„Stand immer von vornherein fest, ob du den Kunden penetrierst oder er dich?“
„Wir hatten einen Manager der alle Termine regelte. Er klärte ob ein Kunde penetriert werden wollte oder selbst penetrieren möchte. Bevor der Kunde dann zu uns kam sagte der Manager uns Bescheid, wie es um dessen Wünsche bestellt war. Außer ein Gast kam unangemeldet, dann mussten wir uns überraschen lassen. Um ehrlich zu sein, war es mir lieber der Topf zu sein, weil ich einen Trick hatte, damit die Kunden schneller fertig wurden.“
„Wie war es für dich, mit Männern schlafen zu müssen, die du eben nicht attraktiv fandest?“
„Ich hatte die ersten paar Dates Probleme damit und es war schrecklich. Aber danach war es absolut kein Problem mehr als Escort zu arbeiten, weil ich wusste, wenn ich dem Kunden etwas Vorspiele (Orgasmus ect.), dann wird er schneller fertig. Ich wusste welchen Knopf ich in meinem Kopf drücken muss, damit ich das als reine Arbeit ansehe. Und mit der Zeit war ein wenig attraktiver Gast kein Problem mehr für mich.“
„Was für Kunden sind dir in deiner Zeit als Escort untergekommen und gab es den ein oder anderen, der dir besonders im Gedächtnis blieb?“
„Um ehrlich zu sein hatte ich aus so ziemlich allen Schichten die es gibt Freier. Ich habe in fast 5,5 Jahren so viele Männer kennengelernt, das ist der Wahnsinn. Es waren Männer dabei, die hatten Frau und Kind/er. Oder Männer die sich in der Öffentlichkeit total hetero präsentierten, aber heimlich bisexuell waren.
Es gab auch sehr viele Männer, die standen auf schöne, schlanke Boys die sie in ihrem Alter privat niemals treffen würden oder gar sexuell Kontakt zu ihnen hätten.
Meine drei krasseste Gäste waren:
- ein Imam (Vorbeter einer Moschee) aus Berlin.
- ein Staatsanwalt aus Köln
- ein Prominenter aus London
Bei den Dreien muss ich ehrlich sagen, dass ich beim Treffen doch sehr überrascht und innerlich schockiert war.
Aber gut, jedem das seine, nicht wahr?“
„Hat du auch schlechte Erfahrungen gemacht?“
„Ja, ich machte natürlich auch schlechte Erfahrungen. Gott sei Dank keine Gewalt, aber ich hatte in meiner Endphase einen Freier in Zürich, der mich für ein komplettes Wochenende buchte. Er selbst war Multimillionär und hatte zur selben Zeit noch vier weitere Jungs gebucht und das Wochenende zu sich eingeladen.
Nichtsahnend traf ich also bei ihm ein und bekam den ersten Schock, als ich die anderen Jungs bei ihm antraf. Da der Kunde mich zu seinem Favoriten machte, musste ich das ganze Wochenende nachts mit in seinem Bett und mit ihm schlafen. Er war von seiner Art uns seinem Auftreten her wirklich ein ekelhafter Mensch. So war der Sex jedes Mal eine innerliche Vergewaltigung und wie ich heute denke sogar eine Psychische. Er wollte non stop Sex und ich konnte nicht einfach nein sagen. Er hatte schließlich für meine Dienste bezahlt. Zusätzlich wurde er dann auch noch eifersüchtig, weil er mitbekam, dass mich zwei der anderen Jungs immer wieder anbaggerten. Es war meine schlimmste Erfahrung und ich habe danach noch oft an dieses Wochenende denken müssen.“
„Wurde dieser Horror wenigstens ordentlich entlohnt?“
„Ja, ich bekam den Flug bezahlt und 2500 Euro obendrauf.“
„Wie hast du es, wenn du selbst den Sex ausführen musstest, geschafft eine Erektion zu halten, auch wenn du die Männer eher abstoßend fandest?“
„Das war diese eine Sache, die man in solch einer Branche nun mal beherrschen muss. Ich nutzte dafür einfach das Kopfkino. Stellte mir etwas anderes vor, oder gar Männer mit denen ich gerne Sex hatte. Oft hatten wir aber auch einen Porno im Hintergrund laufen, das half mir auch. Meistens befriedigte ich die Männer allerdings Oral, da ich wusste, dass sie so schon nach 20-30 Minuten zum Höhepunkt kamen. Somit blieb mir eine Erektion oft erspart.
Leider gab es aber auch Kunden, – und solche waren die Schlimmsten für mich – die bis zur letzten Sekunde bleiben wollten und darauf bestanden, dass ich die ganze Zeit über eine Erektion habe. Dann gab es noch Tage, an denen ich mindestens drei Mal eine Erektion haben musste.“
„Bist du immer beim Escort geblieben oder hast du dir irgendwann auch auf eigene Faust Freier gesucht?“
„Nein, ich arbeitete höchstens sechs bis sieben Monate als Escort, danach habe ich komplett Selbstständig gearbeitet. Ich wollte keine 50% mehr abgeben, wer macht so was heut zu Tagen schon? Der Chef verdiente damals gutes Geld durch die 50 %, die ich abtreten musste. Ich sah es einfach nicht mehr ein.“
„Wie bist du an die Freier gekommen, als du nicht mehr als Escort gearbeitet hast“?
„Die „Gäste“ hatte ich damals über Plattformen wie Planetromeo oder Kaufmich.com gefunden. Oder eher gesagt, sie fanden mich.“
„Was hast du gefühlt, bevor du zu einem Freier fuhrst, gab es da auch Freude?“
„Mein einziger Gedanke war, ‚Geh da rein, mache deine Arbeit und komme ganz schnell wieder raus, dann hast du es hinter dir‘. Ich versuchte jedes Gefühl durch den Gedanken an das Geld zu verdrängen. Freude empfand ich mit gar keinem Kunden. Keine Leidenschaft, nichts. Alles war nur gespielt und das war auch gut so.“
„Anfangs hast du aus der Not heraus als Escort gearbeitet, warum aber hast du dich noch fünf weitere Jahre verkauft?“
„Ja, das stimmt. Am Anfang war es die Not und am Ende war es der tägliche Gedanke, nicht auf das Geld verzichten zu wollen. Es gibt ein Sprichwort das sagt ‚Wer einmal Blut geleckt hat wird es immer wieder wollen‘. Ich selber stimme dem nicht zu und bin überzeugt, dass man alles ändern kann. Mann muss nur daran glauben und alles dafür tun. Aber ja, wenn man in solch einer Branche arbeitet ist es sehr schwer sich davon zu trennen. Ich hatte einfach immer wieder das Geld vor Augen.“
„Stell dir vor, du wärst mit dem Wissen von heute noch mal 18 und würdest erneut die Mail bekommen, in der man dir anbietet als Escort zu arbeiten. Was würdest du tun?“
„Ich würde es ganz klar wieder tun, wenn ich in solch einer Lage wie damals wäre. Es gab für mich einfach keine Alternative. Aber heute, wo ich mein berufliches Standbein bereits aufgebaut habe, würde ich die Anfrage mit einem freundlichen nein ablehnen. Ich bereue meine damalige Entscheidung nicht und würde es jetzt natürlich nicht mehr machen. Aber ich war froh, das ich damals die Möglichkeit bekam und vor allem, dass mir in all dieser Zeit nichts schreckliches passiert ist. In solch einer Branche lebt man auf gefährlichem Fuße. Ich möchte jeden davor warnen und wünsche es keinem.“
*Name geändert
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Fotos: https://www.motosha.com/blog/
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