Achja, die Jugend von heute. Ein jeder von uns durfte der älteren Generation schon dabei zuhören, wie sie erzählten, dass früher alles besser war. Besonders die Jugend. Viel mehr Respekt hatten sie den Älteren gegenüber. Jugendliche waren höflicher, nicht so faul und überhaupt ein Gewinn für die Menschheit. So weit so gut.
Doch entspricht dieses Klischee der Realität? Verhält sich die Jugend von heute wirklich so anders?
In den letzten 50 Jahren hat sich natürlich einiges verändert, was auch einen Wandel der Menschen mit sich brachte. Es galten noch andere Regeln, wenn es um Anstand, Familie, Arbeit oder die Freizeitgestaltung ging. Dennoch sind die Vorurteile gegenüber der Jugend von heute nicht auf den Einzelnen übertragbar – schon gar nicht auf einen größere Gruppe. Wenn ich die Jugend von heute beobachte, sehe ich keine Veränderung zum Nachteil unserer Gesellschaft.
Ein gutes Beispiel dafür, dass sich die Jugend von heute anderen Menschen gegenüber sogar höflicher und wertschätzender verhält als es ihr vorgeworfen wird, beobachtete ich erst vor Kurzem.
Schon öfter ist mir aufgefallen, dass die meisten Obdachlosen eher von jüngeren Passanten Geld zugesteckt bekommen. Um mir ein besseres Bild davon machen zu können, setze ich mich zwei Stunde lang in ein Kaffee, vor dem ein Obdachloser saß und um Spenden bat. Ich beobachtet, wie die vorbeilaufenden Menschen damit umgingen. Nach zwei Stunde hatten 7 unter 30 jährige dem Obdachlosen Geld gegeben. Einer war so jung, dass seine edle Spende vermutlich vom Taschengeld kam.
Was aber machten die Menschen über 30, die an ihm vorbei liefen? Vor allem diejenigen, die mindestens 60 sind und immer zu darüber reden, wie die Jugend von heute verkommt?
Tatsächlich gaben nur 2 Leute, die ich auf über 30 schätzte, eine Spende. Was mich aber wirklich erschrocken hat war, zu beobachten wie die Genration 60+ auf den Obdachlosen reagierte. Zum einen ignorierten sie seine Begrüßung. Wieder andere verhielten sich respektlos und rümpften die Nase beim Vorbeigehen. Einige andere schauten ihn abwertend an. Keiner von ihnen hat dem Obdachlosen eine Hilfestellung angeboten und seien es nur 10 Cent.
Hier sehe ich persönlich also eher die Jugend von heute als freundlicher, gesellschaftsorientierter und emphatischer, als die Damen und Herren über 60 Jahren.
Ebenfalls viel mir auf, dass die Jugendlichen viel häufiger zurück grüßten, wenn der Obdachlose sie ansprach oder ihnen einen schönen Tag wünschte, als die älteren Herrschaften. Sie drehten sich weg oder taten, als wenn sie ihn nicht hörten. Von Mitgefühl keine Spur.
Ein Satz den man ebenfalls an jeder Ecke hört ist :“Die Jugend von heute ist nicht beziehungsfähig. Immer auf der Suche nach was Besserem. Die wechseln ihre Partner ja öfter als die Unterwäsche.“
Wie gern würde ich das Ganze nun abstreiten, aber das kann ich nicht. Dank Apps wie Tinder, Lavoo usw., ist es uns möglich, in sehr kurzer Zeit, sehr viele Menschen kennenzulernen. Das führt aber auch dazu, dass wir leichter auszutauschen sind. Früher war das natürlich anders, denn Ehe und Partnerschaft hatten einen anderen Stellenwert.
Meine Großmutter ist ein Paradebeispiel dafür, warum man früher verheiratet blieb und sich nicht einfach jemand Neues suchte. Als meine Großmutter 17 war wurde sie schwanger. Damit das Ansehen der Familie nicht beschädigt wurde, heiratet sie kurz darauf. Uneheliche Kinder waren nicht gern gesehen. Im alter von 30 verstarb ihr Mann. Nun stand sie da, ohne Geld und mit drei Kindern, die versorgt werden mussten.
Also tat sie was nötig war. Sie heiratet kurzerhand den Bruder ihres verstorbenen Mannes. Auch er brauchte eine neue Frau. Seine Angetraute war ein Jahr zuvor verstorben und hatte ihm zwei Kinder hinterlassen. Also schlossen die Beiden eine Zweck-Ehe. Er sorgte dafür, dass Essen auf den Tisch kam und meine Oma hütete die Kinder. Sie blieb bei ihm bis er im Alter von 75 Jahren verstarb. Eines Tages vertraute sie mir an, dass sie nicht mal ihren ersten Mann geheiratet hätte, wenn sie die Möglichkeiten gehabt hätte, die die Frauen heutzutage haben.
Das die Jugend von heute auf dem Gebiet also anders handelt als die Mensch früher, liegt daran, dass Partnerschaften heute eine andere Bedeutung haben. Frauen heiraten nicht nur um abgesichert zu sein den erst besten Mann. Sie können sich erstmal ausprobieren. Männer brauchen sich nicht mehr um die eine eine tolle Frau zu prügeln, es gibt genug Frauen, die auf der gleichen Suche sind wie sie. Sie müssen nicht gleich heiraten um mit einer Frau zusammen sein zu können.
Interessant finde ich auch das Vorurteil, dass die Jugend von heute faul wäre und nicht mehr hart arbeiten könnte.
Natürlich ist man früher anderen Tätigkeiten nachgegangen. Oft musste man körperlich sehr viel mehr Leistung erbringen als es heute der Fall ist. Aber bedeutet das wirklich, dass die Jugend von heute weniger ambitioniert, gar Faul ist?
Laut dem Durchschnitt der älteren Generation, ja. Reisen nach dem Studium? Zeitverschwendung! Da könnte man ja längst im Studium oder der Ausbildung stecken. Man selber hat in dem Alter ja schon ein halbes Haus aus eigener Kraft hochzogen. Die Enkel könnten das nicht mehr. Faul sind sie.
Das viele Jugendliche, die ein Jahr im Ausland verbringen dort z.B. auf einer Mangofarm oder ähnlichem arbeiten und dabei körperlich harte Arbeit verrichten, scheint in den Hintergrund zu rücken. Auch muss man berücksichtigen, dass die heutigen technischen Voraussetzungen viele Berufe vereinfachen. Früher musste die Arbeit oft noch mühevoll mit der eigenen Körperkraft bewältigt werden. Viele dieser Aufgaben übernehmen nun Maschinen. Die Jugend von heute hat also was das angeht sicherlich weniger körperlich harte Arbeit vorzuweisen. Nur hat es nichts damit zu tun, dass sie sich vor eben Dieser drücken. Die Entwicklung hat eben einfach dafür gesorgt, dass so harte Arbeit in den meisten Bereichen nicht mehr von Nöten ist.
Nach der Arbeit kommt die Freizeit. Und die findet am Wochenende eben gern in Kneipen statt. Aber auch hier wird gern über die Jugend von heute gemeckert. Sie wissen sich einfach nicht zu benehmen. Ganz schlimm verhalten die sich. Diese Jugendlichen machen nie Platz für die Älteren und drängeln sich vor, wenn sie ein Bier an der Theke bestellen möchten. Alle strunzen voll.
Tatsächlich habe ich das eher umgekehrt wahrgenommen. Lange arbeitete ich in der Gastronomie und kann mit gutem Gewissen und vollster Überzeugen sagen, dass ich lieber 20 Jugendliche vor meiner Theke stehen habe, die mir alle drei Minuten besoffen zu lallen wie hübsch ich doch sei, als 5 Menschen über 30 zu bedienen, die der Meinung sind, die Welt müsse ihnen zu Füßen liegen. Ganz nach der „der Kunde ist König Manier“.
Oft genug musste ich beobachten, wie sich in Wirklichkeit die Älteren vordrängelten. Muckte ein junger Erwachsener auf, durfte er sich von den Älteren anhören, dass er keinen Respekt vor Erwachsenen hätte, eine schlechte Kinderstube genieße und überhaupt ein Taugenichts sei.
Steht einer dieser älteren, unhöflichen Vordrängler dann endlich vor der Theke und möchte ein Bier bei mir bestellen, wie 20 weitere Gäste auch, darf ich mir bereits nach 2 Minuten Beschwerden anhören, weil ich den Herrn oder die Dame denn so lang warten lassen würde.
Anders die Jugendlichen. Die Meisten von ihnen warteten immer brav an der Theke, bis ich der Meinung war, sie seien nun an der Reihe. Sie pampten mich auch nicht an, wenn sie mal länger warten musste und gaben im Gegensatz zu den Gästen über 30 sehr viel häufiger Trinkgeld.
Für mich fühlt es sich so an, als wäre die ältere Generation so darauf fixiert über den Jugendlichen zu stehen, dass einige von ihnen unfreundlich und respektlos auftreten.
Sie erwarten, dass man zu ihnen hinaufschaut, schauen im Gegenzug aber auf die Jugend von heute hinab.
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Sehr interessanter Artikel und muss gerade zum Thema Gastronomie wirklich beipflichten, erlebe dort ähnliches immer wieder. Die ältere Generation ist tatsächlich schneller dabei zu mailen, ob Gerechtfertigt oder nicht…