Bereits mit 15 bekommt Mandy Depression diagnostiziert. Von einer Borderline-Störung ist noch nicht die Rede. Mit den Jahren werden die Depressionen jedoch immer schlimmer, bis mit 17 Jahren die Schlafstörungen, welche durch Verlustängste ausgelöst wurden, begannen. Vor knapp einem Jahr wurde die Borderline-Störung diagnostiziert.
Welche Form der Borderline-Störung es ist und wie ausgeprägt vorhanden, kann man zur Zeit noch nicht sagen, da sich Mandy erst seit einem halben Jahr regelmäßig professionelle Hilfe holt, wie sie mir erklärt. Mittlerweile ist sie 23 und erzählt uns, wie es zu der Borderline-Störung kam und wie sie versucht dagegen anzukämpfen.
„Wie haben sich die Depressionen auf dich ausgewirkt und wie kam plötzlich der Verdacht auf eine Borderline-Störung zu Stande?“
„Die Depressionen haben sich damals bei mir bemerkbar gemacht durch bspw. die extremen Schlafstörungen. Ich habe nachts kein Auge mehr zu bekommen, weil ich unglaublich viele und vor allem verwirrende Gedanken hatte. Aber auch eine Appetitlosigkeit hat sich eingeschlichen, bis ich irgendwann, teilweise 2-3 Tage, nichts mehr gegessen habe. Ich hab über 10 Kg abgenommen.
Oft war ich von jetzt auf gleich, auch grundlos, sehr traurig und einsam. Ich war mit meinen engsten Leuten unterwegs, aber habe mich überflüssig gefühlt.Ich hab mich dann immer und immer weiter abgeschottet und hatte nicht wirklich Lust etwas zu machen. Die einzige Möglichkeit mich zu erreichen war dann nur noch per Festnetz, weil ich auch mein Handy irgendwann ausgeschaltet habe.
Es war ein riesiger Druck für mich, ständig erreichbar zu sein. Und wenn ich nicht geantwortet habe, waren Leute halt sauer auf mich. Das wollte ich aber auch nicht. Also hab ich gesagt mein Handy ist kaputt. Um mir diesen Druck zu nehmen, aber auch gleichzeitig niemanden zu enttäuschen oder ein unangenehmes Gefühl zu bereiten.
Das ging dann irgendwann soweit, dass ich mich selbst auch irgendwann nicht mehr so wirklich ertragen konnte. Erst habe ich mir unbewusst, häufig im Schlaf, den Rücken blutig gekratzt und nachher dann auch bewusst. Als eine Art Selbstbestrafung dafür, dass ich mich so isoliert habe und mir so vieles genommen habe im Leben, woran ich vorher immer viel Freude hatte.
Der größte Unterschied zur Borderline-Störung war für mich tatsächlich erst mal, diese überhaupt zu begreifen. Depressionen kennt man, hört man viel von. Das ist leider etwas geworden, was einfach zu unserer heutigen Gesellschaft dazu gehört. Ich selbst habe viele Freunde die regelmäßig in Behandlung aufgrund ihrer Depressionen in Behandlung sind.
Damit konnte man irgendwie umgehen, trotz allem. Mit der Diagnose Borderline-Störung konnte ich das nicht. Ich musste mich erst mal richtig einlesen, aber was bringt einem schon ein wissenschaftlicher Text von Wikipedia? Also habe ich angefangen Bücher von Betroffenen zu lesen, um mich erst mal selber zu verstehen. Denn eine Borderline-Störung ist nicht einfach eine Phase.
Die Borderline- Störung ist allgegenwärtig. Am stärksten merke ich es bei meinem Handeln und Fühlen. Ich habe Besuch, aber wünschte mir einfach er würde gehen, damit ich wieder allein sein kann, aber andersrum möchte ich auch niemanden verletzten und sage deswegen nichts. Ich weiß auch, dass es besser ist, wenn ich nicht allein bin, aber mein Kopf sucht sich dann Gründe warum allein sein eben doch besser ist.
Man hat den Verstand, man kann auch genau abschätzen was gut und was schlecht für einen ist, was Sinn macht und was nicht, aber man kann es nicht umsetzen. Und egal wie ich mich entscheide, ich bereue diese Entscheidung fast immer nachträglich.
Es ist als würden sich zwei Freundinnen streiten und ich stehe zwischen den Stühlen. Nur dass diese zwei Freundinnen einfach ein Teil von mir sind.“
„Legst du öfters selbst verletzendes Verhalten, im Rahmen der Borderline-Störung, an den Tag?“
„Die SSV, wie man sie ja so schön abkürzen kann, fing bei mir ja schon mit dem Kratzen an. Tatsächlich habe ich, durch meinen damaligen ersten Freund dann auch damit aufhören können. Doch irgendwann gab es den Punkt, wo ich dachte, dass alles was ich mir wieder aufgebaut habe mir entgleiten würde und ich keine Kontrolle mehr hätte.
Eben diese Kontrolle habe ich mir dann durch das Schneiden wieder geholt. Ich bestimme wo, wie tief und all sowas. Aber ich bestimme auch, dass ich es jedes Mal versorge, damit es keine größeren Schäden anrichtet.
Die Kontrolle ist für mich aber nicht der einzige Grund. Manchmal habe ich auch einfach das Gefühl, dass ich nichts mehr fühle. Als würde die Welt um mich herum stehen bleiben und nur noch ich selbst bin da. Wenn ich z.B eine Panikattacke habe, dann kann es mir helfen, direkt was zu spüren und wirkt dadurch beruhigend. Trotzdem wird es irgendwann leider zu einer Art Sucht, die man nicht unterschätzen sollte.“
„Wie beeinflusst die Borderline-Störung deinen Alltag?“
„Mein Alltag wird sehr von der Borderline-Störung gelenkt. Es gibt Tage, da liege ich einfach nur im Bett und sage auch alles ab, weil ich einfach keine Kraft und Motivation finde etwas zu tun. Dann gibt es Tage da stecke ich so voller Energie und Lebenslust, dass ich dauernd durch die Gegend tanze.
Aber am meisten leiden meine Freunde darunter. Weil ich einfach, egal wie sehr ich es versuche, nie so für sie da sein kann, wie ich es eigentlich möchte. Und sie ja auch damit belaste, wenn ich mal drei Tage nicht erreichbar bin. Aber auch wenn es darum geht mal Streit zu haben.
Einige trauen sich nicht mit mir zu Streiten, weil sie nicht wissen wie es enden könnte. Mal bin ich total impulsiv und kann dann trotzdem noch normal meine Meinung sagen, mal bin ich aber so impulsiv, dass ich Dinge sage, die ich gar nicht sagen möchte und eben sehr gemein werde.
Dann gibt es noch Momente im Streit, wo ich einfach mitten drin abbreche und verschwinde, weil alles zu viel wird und ich damit nicht klar komme.
Es können auch nur Kleinigkeiten sein, aber die können bei mir schon riesige Wellen auslösen. Und ich weiß, dass ich oft dann auch überreagiere, aber in dem Moment bin ich dann einfach wie jemand anderes. Ich selbst bin dann nicht mehr Herr über mich, sondern die Gefühle sind es, die Borderline-Störung.
Ich kann auch auf keine Feier gehen, ohne dass sich alle halbe Stunde ein neues Gefühlschaos entwickelt. Man fühlt sich gut und von jetzt auf gleich denkt man sich, was tue ich hier? Es ist die ganze Zeit ein Auf und Ab und man versteht sich einfach selbst nicht. Wie soll es dann ein Anderer je tun?“
„Wie wirkt es sich die Borderline-Störung denn auf deine Familie aus?“
„Für meine Eltern ist es oft schwer, weil sie nie genau wissen wie sie mit mir umgehen sollen. Ich kann es ja selbst nicht sagen. Mal brauch ich das Gefühl von Liebe, Nähe und Halt und dann im nächsten Moment kann eine einfache Umarmung mich schon so extrem erdrücken. Aber das geht mir nicht nur mit meiner Familie so.“
„Ist es Zufall, dass du seit deinem letzten Freund keine Beziehungen mehr eingegangen bist, oder hängt auch das bei dir mit der Borderline-Störung zusammen?“
„Tatsächlich ist meine Borderline-Störung ja überhaupt erst so stark ausgeprägt, aufgrund der Beziehungen die ich geführt habe. Es ist viel passiert, was auch heute noch stark an mir nagt und mich irgendwie abschreckt, wenn es darum geht wieder eine Beziehung einzugehen. Es gab zwischendurch jemanden, aber selbst ihn habe ich sehr auf Abstand gehalten, weil ich aus Angst einfach niemand wieder so an mich ran lassen wollte.
Es war mehr eine Freundschaft plus als alles andere. Dafür habe ich schon gesorgt irgendwie. Sobald das Thema aufkam, ob wir zusammen sind, habe ich das Thema gewechselt oder auch gesagt, ja ne wir sind nicht zusammen. Das ging aber auch alles keine zwei Monate, bis ich es komplett beendet habe.
Die Erinnerungen, aber auch die Borderline-Störung selber, sind bedeutende Punkte, die mich davon abhalten. Solang ich selbst nicht wirklich weiß wie ich mit mir umgehen soll, möchte ich das aber auch von niemand anderem verlangen. Und dauerhafte Nähe vertrage ich momentan auch nicht. Ich möchte aber auch niemanden verletzten, also halte ich mich von sowas fern.“
„Welche Auslöser gab es deiner Meinung nach, für deine Krankheiten?“
„Ich war vor der jetzigen Therapie in einer freiwilligen Sprechstunde. Da kann man wann, will nach Bedarf halt hingehen. Da war ich ca. ein Jahr. Und der Therapeut hat halt diese Veränderungen, nach all dem was mit passiert ist, sehr extrem mitbekommen und das auch mit mir nach und nach reflektiert und daraufhin die Diagnose Borderline-Störung gestellt und mich in eine feste Therapie überwiesen.
Aber ich selbst habe halt diese Veränderung auch stark gemerkt. Es waren nicht mehr diese „einfachen“ mir geht es schlecht Phasen wie bei der Depression. Es fing an mein ganzes Leben zu beeinflussen. Mein Ich hat sich geändert und vieles, was ich vorher liebte, konnte ich nicht mehr ertragen aber mir auch selbst nicht beantworten warum.
In der 10ten war es so, dass Mobbing ein starkes Thema bei uns in der Klasse war. Ich selbst war tatsächlich nie betroffen, aber viele meiner engsten Freundinnen. Und ich bin halt ein Mensch, der zieht sich die Sorgen der anderer so an, als wären es meine eigenen. Teilweise habe ich mehr unter diesen „Angriffen“ gelitten, als die Betroffenen selbst. Meine Oma sagt immer liebevoll es ist ein Mutter-Teresa-Effekt.“
„Hätte dein Freund damals etwas ändern können um dir zu helfen?“
Das einzige Problem was mich mein Leben lang schon begleitet, ist die Tatsache, dass mein Vater stark herzkrank ist und ich ihn von heute auf morgen verlieren könnte und diese Angst immer mit mir herumtrage. Das wusste mein Exfreund. Und er war für mich dann einfach wie ein Neuanfang im Leben, der erste Mensch dem ich mich richtig geöffnet habe, er war meine Familie. Mein Anker.
Nach 2 1/2 Jahren Beziehung dann, fing es aber an zu bröckeln, da meine damalige Beste Freundin sich als Aufgabe gemacht hat uns auseinander zu bringen, was sie auch geschafft hat. Ich hatte als das anfing panisch Angst, das wussten die Zwei natürlich auch.
Beide wussten, dass sie mir grade sehr sehr weh tun. Er hat immer sehr auf verständnisvoll gemacht, sich um mich gekümmert und immer gesagt, es wird uns nichts trennen, er liebe nur mich, ich bin sein Lebenselexier und seine große Liebe.
Schlussendlich waren das alles Lügen und die Beiden haben mich ein halbes Jahr lang an der Nase herumgeführt, belogen und betrogen. Und durch diese Unsicherheit die ganze Zeit, hat sich die Unsicherheit in mir selbst halt immer weiter verstärkt, bis sich daraus die Borderline-Störung entwickelt hat. Es ist zwar wahrscheinlich, dass ich vorher schon dafür anfällig war, aber es brauchte einen Auslöser.
Und da war er, mein Leben war sinnlos. Ist es für mich bis heute noch. Ich wusste nicht mehr wo oben und wo unten ist. Wusste nicht mehr was ich glauben soll und was nicht. Da ist für mich eine Welt zusammengebrochen, die ich bis heute nicht mal ansatzweise wieder flicken konnte.“
„Wie sieht deine Behandlung im Bezug auf die Borderline- Störung aus und hilft sie dir, dein Leben etwas beschwerdefreier zu leben?“
„Meine Behandlung besteht momentan viel aus Reflektieren und Analysieren. Ich gehe einmal die Woche für ca. 50 Minuten zu einem Psychologen in meiner Stadt. Bekomme allerdings auch immer wieder Hausaufgaben, wie bspw. ein Selbstbild erstellen. Es klingt total dämlich, nach Kinderbeschäftigung und Lust hatte ich dazu auch nicht wirklich, aber ich bin froh die Aufgabe gemacht zu haben. Man muss wirklich nachdenken, ich habe selbst nach einer Woche nicht alles ausfüllen können, weil es einfach so schwer ist.
Aber das zeigt, dass das was man macht auch hilft. Denn wenn man nicht nachdenkt, fruchtet das Ganze auch nicht. Mein Therapeut selbst ist auch total lieb, auch noch etwas jünger, was es einfacher macht zu reden.
Und er ist wirklich der Erste, bei dem ich vollkommen frei reden kann. Über alles. Jede Sitzung ist aufs Neue anstrengend, weil sie halt so tief geht. Man beschäftigt sich die gesamte Zeit mit sich und seiner Geschichte. Danach bin ich auch eigentlich jedes mal so fertig, dass ich einen Mittagsschlaf brauche. Aber es hilft.“
„Legst du aktuell noch Selbstverletzendes-Verhalten an den Tag?“
„Ich habe es immer wieder es geschafft, mich über längere Zeiträume nicht zu verletzen. Ich habe aber schon einiges gelernt um dieses Verhalten zu vermeiden. Jeder Anfang ist schwer, aber auch unendlich wichtig. Z.B habe ich gelernt, meine Meinung zu sagen und auch meine Gefühle gegenüber anderen zu äußern, wenn ich mich nicht wohlfühle. Ich habe auch eine sogenannte Skill-Liste erstellt, die ich tatsächlich auch schon einige Male angewendet habe.
Eine Therapie ist nicht einfach und vor allem keine schnelle Sache, meine ist Momentan auf zwei Jahre begrenzt, auf Grund der Krankenkasse, aber es ist jetzt schon klar, dass die 2 Jahre nicht reichen werden um die Borderline-Störung zu behandeln.
Das Gute ist, ich darf alles selbst bestimmen. Ich darf sagen bis hier hin und nicht weiter. Ich habe quasi die Kontrolle darüber was geschieht. Ich kann auch mitten in der Sitzung sagen ich muss mal eben eine Rauchen gehen und es ist okay. Denn es ist wichtig auf seine Bedürfnisse zu hören und diese auch mitzuteilen. Etwas, was ich vorher eigentlich nie wirklich getan habe.
Ich merke selbst, dass die Therapie mir beim Verstehen des Ganzen hilft und mir auch schon im Leben etwas geholfen hat. Aber das kommt auch immer darauf an, ob man sich darauf einlässt oder nicht. Und selbst wenn ich mich verletze, gibt es einen Bogen den ich ausfüllen kann und dann wird das nachträglich analysiert.
Also ja, ab und zu kommt es noch vor, dass ich mich selbst verletze, aber es ist durch die professionelle Hilfe tatsächlich seltener geworden. Und das ist schon mal alles was zählt.“
„Was für Gedanken beschäftigen dich besonders oft?“
„Momentan beschäftigt mich vor allem der Gedanke, wie ich das alles überhaupt schaffen soll und welchen Sinn es hat, überhaupt weiter zu kämpfen. Es sind so Gedanken, die total absurd sind, aber wenn man allein ist, denkt man halt oft nur über das Schlechte im Leben nach. Ein Fehler, aber es ist halt nicht so einfach von 100 Dämonen den einen Engel an Gedanken zu finden.
Aber in allem Dunkel gibt es auch immer irgendwo etwas leuchtendes. Momentan bin ich ziemlich selbstkritisch und habe oft Gedanken, was ich im Leben alles falsch gemacht habe. Wenn ich das meinen Freunden sage, kriege ich auch sofort Ärger, weil Dinge die ich als falsch gehandelt empfinde, für sie noch viel zu nett gewesen sind.
Bspw. dass ich trotz allem mir die Schuld an der zerbrochenen Beziehung von mir und meinem Ex gebe und mir Sorgen um ihm mache. Und das habe ich bei allem. Egal was passiert, ich finde immer einen total fragwürdigen Grund, um zu sagen es ist meine Schuld. Man fühlt sich einfach wie der Sündenbock, total falsch am Ort. Und denkt immer und immer wieder: „Ohne mich würde es allen in meinem Leben besser gehen“. Sie hätten dann keine Last mehr.
Man kommt sich vor wie der Krebs, den niemand haben will, der aber trotzdem da ist und einfach nicht verschwindet.“
„Hast auch du, wie einige andere Menschen mit Borderline-Störung, Probleme damit, einen Job oder eine Ausbildung zu finden, die du eine längere Zeit durchziehst?“
„Im Bereich Job komme ich tatsächlich gut klar. Was allerdings auch selten für Menschen mit Depressionen und einer Borderline-Störung ist. Aber das hat einfach was damit zu tun, dass ich meinen Bereich über alles Liebe und weiß, dass ich anderen Menschen damit helfen kann. Ich habe jetzt für 1 Jahr im Kindergarten gearbeitet und die Arbeit da hat mir so gut getan.
Die Kinder waren mein Lichtblick in der ganzen Zeit. Ich habe oft gekämpft mit mir, mir nicht weh zu tun, damit die Kinder es nicht sehen. Und ab nächste Woche fange ich ein Studium an, genau in dem Bereich. Pädagogik der frühen Kindheit und Familienbildung.
Ich arbeite seit dem ich 13 bin immer wieder Ehrenamtlich. Anderen Menschen zu helfen ist einfach genau meins. Dadurch kann ich mich dann irgendwie aufbauen. Daher ist dieser Punkt für mich der einzige im Leben, bei dem es mir nicht schwer fällt, mich aufzuraffen und ihn auch durch zuziehen.“
„Wie verhältst du dich, wenn du auf deine Selbstverletzung angesprochen wirst, oder schaffst du es das zu verstecken?“
„Also die tiefen, großen Narben sind in der Leistengegend, die hat bis jetzt noch niemand gesehen, da ich halt auch nicht schwimmen gehe und seit dem auch mit niemandem Intim geworden bin. Am Arm die Narben kann man schon sehen, obwohl ich da auch etliche Armbänder vor habe.
Meine Freunde sind dann eher so, dass sie gezielt mein Arm nehmen und schauen, ob da was Neues ist. Von einer Freundin kommt dann immer: „Na, hast dich wieder mit deinen Katzen gestritten?“ Und von meinem besten Freund kommt ein: „Och Hasi, warum? Du sollst dich doch melden wenn was ist.“ Die Anderen sagen da meistens nichts zu. Bei der Arbeit mit den Kindern, da habe ich darauf geachtet, dass sie nichts sehen. Sie durften an meine Armbänder, aber halt nur mit dem Handrücken nach oben.
So konnten sie halt nichts sehen und wenn sie mich gefragt haben, woher eine Verletzung kommt, hab ich immer gesagt meine Katze wäre böse gewesen, oder ich hätte mich aus Versehen beim Kochen verletzt. Damit war das Thema dann aber auch gut.“
„Wie gehst du mit dem Vorwurf um, dass einige Menschen mit Borderline-Störung sich nur verletzen, um Aufmerksamkeit zu erhaschen?“
„Trauriger weise gibt es tatsächlich Menschen, die es nur deswegen machen. Oder weil sie es mal „ausprobieren“ wollten. Auch solche Freundinnen hatte ich schon. Also kann ich es Außenstehenden nicht mal übel nehmen, wenn sie so über uns Borderliner denken.
Aber ich finde auch, man kann es den Menschen ansehen, ob es als Druckausgleich, Aufmerksamkeit, oder Hilfeschrei gemeint ist. Allein auch wie sie darüber reden. Ich finde es gar nicht schlimm wenn Menschen fragen, wieso ich es tue? Solange man nicht abwertend fragt natürlich.
Grade wenn man sich am Arm verletzt, weiß man, dass man damit auch Aufmerksamkeit kriegen kann. Irgendwie stimmt es schon, es ist immer ein gewisser Punkt der sich um Aufmerksamkeit dreht, darin zu finden. Oft ist es halt ein Hilfeschrei und auch ich kann nicht ganz leugnen, damit meiner Familie zeigen zu wollen, dass nicht alles so klasse ist wie sie denken.
Bevor man urteilt sollte man also immer erst Mal den Menschen kennen lernen und fragen. Ich bspw. gehe auch mit meiner Erkrankung ganz offen um. Immerhin wollen sie mich kennen lernen, also sollen sie sowohl die Guten, als auch die schlechten Seiten kennen.
Und vor allem sollte jeder sofort wissen, was Sache ist, damit sie von Anfang an entscheiden können ob sie damit klar kommen oder nicht. Denn was bringt es mir, jemanden kennen zu lernen und ins Herz zu schließen, wenn er/sie nach einem halbem Jahr wieder geht? Darunter leide dann nur ich und das nur weil ich nicht ehrlich war.“
„Kannst du den Gedanken, sich umbringen zu wollen und es auch zu tun, nachvollziehen?“
„Ich kann es nicht nur nachvollziehen, ich habe es selbst schon versucht. Es ist nicht immer einfach und man ist nicht immer stark genug, um dagegen anzukommen. Auch in den letzten zwei Wochen hatte ich wieder starke Gedanken in diese Richtung. Es ist ehrlich nicht leicht und wenn man dann auch noch im Sozialen Umfeld riesige Probleme hat, ja dann kann ich es nachvollziehen.
Vor allem ist es nie eine Einfache und daher gesagte ,dumme Entscheidung, die da jemand getroffen hat. Denn wenn man sich selbst nicht mehr mag, dann ist das Leben nicht schön. Und alle die es getan haben, haben lange, sehr lange vorher gekämpft und das darf man nie vergessen. Nur kann nicht jeder immer Gewinnen. Deswegen ist es so wichtig Menschen zu helfen und sie ernst zu nehmen.
Wichtig um zu Helfen ist es, einem Menschen klar zu zeigen: „Ich bin hier und ich bin froh das du da bist.“ Denn dann gewinnt der Gedanke an den Tod nicht so schnell. Der gewinnt nur, wenn man sich vollkommen allein fühlt. Keinen Sinn mehr sieht. Einfach nur noch ein tiefes Schwarz.
Sich selbst umzubringen ist nicht egoistisch, wie immer so Viele behaupten, denn diese Menschen haben so lange für andere Menschen gekämpft, aber haben einfach keine Hilfe und keine schützende Hand bekommen.“
Wenn ihr noch mehr über Mandy erfahren wolltt könnt ihr hier ihren Blog zum Thema Borderline-Störung finden : https://friede-freunde-eierkuchen.blogspot.de/
Vielleicht auch interessant: https://blickwinkelmensch.de/borderline-was-in-erkrankten-wirklich-vorgeht/
Ein toller, sehr ehrlich geschriebener Beitrag aus dem Blickwinkel von Mandy.
Ich als ebenfalls „Betroffene“ von Borderline und Suizid kann es sehr gut nachvollziehen, würde Mandy super gerne einfach mal Mut machen. Denn ich habe den Weg aus beiden Tiefen heraus geschafft. Alles Gute weiterhin, Mandy – Du wirst es schaffen, denn ein ganz großer, wichtiger Schritt ist, erst einmal zu erkennen und zu akzeptieren, welches Krankheitsbild man hat, sich damit zu beschäftigen und selbst anzuerkennen. Das Belesen hilft und vor allem aber die Selbstreflektion. Vielleicht interessant: die DBT – dialektisch behaviorale Therapie – speziell für Borderliner abgestimmtes Therapieprogramm, das über 12 Wochen geht. (Das beste, was mir in meinem Leben passiert ist).
Alles Gute und Danke für den Beitrag.